Der Fluss im Wald

Plötze setzte einen Huf vor den anderen, want sich gekonnt durch das Geäst im dichten Wald. Es war noch früh am Morgen, seine Schüler schliefen wahrscheinlich noch, einige von ihnen hatten wahrscheinlich gestern eine durchzechte Nacht gehabt. Und Geralt gefiel es, sie dann so richtig zu quälen, wenn sie in seinen Vorlesungen saßen und halb schlafend vom Stuhl fielen. Ein leichtes Grinsen huschte auf seine schmalen Lippen, seine weißen, geraden Zähne wurden sichbar. "Diese jungen Wesen...", meinte er murmelnd, ehe er auf den Weg vor sich schaute. Sein Pferd hatte die Ohren gespitzt, sie blähte die Nüstern. Geralt merkte, dass etwas nicht stimmte, denn sie wurde unruhig, schnaufte stark, hatte anscheinend einen Geruch in der Nase. Er nahm die Zügel auf und beugte sich nach vorne um einem großen, herabhängenden Ast aus der Schussbahn zu gelangen, setzte sich danach dann wieder in den alten Sattel. Seine Stute blickte aufgeregt in eine Richtung. Nun vernahm Geralt's Gehör auch das Plätschern des Flusses, der hier ganz in der Nähe sein musste. Plötze freute sich anscheinend eher mehr auf das kühle Nass, als das hier etwas sein Unwesen trieb. Deshalb klopfte er ihr beruhigend den Hals und sofort wurde sie wieder lockerer, aber dafür schneller. Sie wollte anscheinend dringend in das Wasser springen. Er ließ es zu, trabte nun zu dem Fluss, an ein Flussbett, wo sie gemütlich in das Wasser steigen konnte. Geralt stieg von ihrem Rücken, nahm den Sattel ab und ließ sie ins Wasser laufen. Sofort sprang sie los.
Den Sattel legte er an das Kiesbett, ehe er kurz seinem Tier zuschaute, wie es ausgiebig plantschte, ehe er sich auf den Kies setzte und tief Luft holte. Die morgendliche Luft war wirklich noch rein, nicht verbraucht. Geralt liebte dieses Gefühl der Einsamkeit. Kurz schloss er die Augen, genoss die Stille um sich herum. Das Plätschern seines Pferdes schaltete er für einen kurzen Moment aus. Seine Lungen fühlten sich abermals mit der kühlen Morgenluft. Obwohl Geralt schon einige hundert Jahre alt war, war dies etwas, was er am meisten schätzte. Neben Loyalität und Gerechtigkeit natürlich.
Seine Augen öffneten sich wieder und dabei entdeckte er ein junges, braunhaariges Mädchen mit eisblauen Augen, welches am Ufer stand und auf das Wasser starrte. Sofort erhob sich Geralt, ließ eine Hand langsam zu seinem Schwert auf den Rücken wandern, denn er konnte genau erkennen, welches Wesen, hier verkleidet als junges, naives, braunhaariges Mädchen, hinter solch einer Fassade steckte; Ein neugeborener Vampir. Und mit denen war nicht zu spaßen.

Geralt merkte schnell, dass der junge Vampir nicht auf einen Kampf auswar, dass der junge Vampir nicht auf der Jagd. Aber warum saß sie dann hier so still und leise hockend am Ufer, hatte den Blick starr in das Wasser gerichtet.
Seine Hand wanderte von seinem Schwert wieder weg, er verschrenkte nun die Arme vor der Brust. Er sah ihr zu, wie sie ihn betrachtete, wie sie sich auf ihre Beine stellte, sich aufrichtete. Kurz wollte er wieder aufzucken, ihm stand der Drang, sein Schwert in die Hand zu nehmen und es ihr an die Kehle zu setzten sehr nah, er würde es am liebsten innerhalb einer Sekunde erledigt haben. Doch mit den Jahren des Jagens hatte Geralt gelernt, dass es nicht nur blutrünstige und kampfeslustige Vampire gab. Viele hatten sogar ein Leben, hatten sogar Gefühle. Dies war ihm bis dahin nicht bekannt gewesen - ihn hatte es auch nicht im Geringsten interessiert, er ging einfach seiner Berufung nach.
Der junge Vampir hatte einen ausdruckslosen Gesichtsausdruck, Geralt betrachtete sie mit seinen Katzenaugen, um keine unüberlegte Bewegung ihrerseits zu verpassen. Schließlich waren Vampire Profis darin, ihre Emotionen außen vor zu lassen. In ihnen floss schließlich kein Blut, in ihnen schlug kein warmes Herz.
Mit einem Pfiff rief er sein Pferd zu sich hin. Plötze erhob den Kopf aus dem Wasser, spitzte die Ohren nach ihm und bemerkte wahrscheinlich nun erst, dass sie nicht alleine waren. Ihr Kopf huschte sofort zu dem Vampir, ihre Ohren legte sie alsbald flach an den Nacken. Ihre Nüstern waren gebläht und ohne den Blick von dem Mädchen abzuwenden lief sie auf Geralt zu, stellte sich neben ihn, betrachtete nun die Vampirin wie ihr Besitzer.
Seine Arme waren verschränkt, diese löste er nun aber wieder auf, klopfte seinem Pferd beruhigend den Hals. "Alles gut.", flüsterte er ihr zu. Sie entspannte sich aber nicht.
Nun erklang die Stimme des Mädchens. Ein einfaches 'Guten Morgen' mit einer klaren Stimm. Und Anstand hatte sie anscheinend auch! vielleicht war Geralt mit seiner Vermutung, dass sie einfach nur hier war, weil der Morgen so schön war, gar nicht so falsch. Schließlich öffnete er ebenfalls seine Lippen. "Einen guten Morgen, junge Lady.", meinte er in seiner altertümlichen Manier.

Seine Stute hatte noch immer den Vampir im Blick. Er klopfte abermals ihren Hals, streichelte ihn danach weiter, in der Hoffnung, dass sie sich nicht zu sehr aufregte. Die junge Vampirin betrachtete sein Tier, er spürte, dass sie es nicht mochte, dass Plötze sie so anging. Trotz ihres emotionslosen Gesichtes konnte er merkten, wahrscheinlich war es nur ein Teil, was sie bedrückte. Alles wollte er auch nicht wissen.
"Ja, ein wirklich schöner Morgen. Und so ruhig.", meinte Geralt, nickte einmal leicht, als kleine Bestätigung dafür, was er gerade von sich gegeben hatte. Seine Hand lag noch immer an ihrem Hals, nun spürte er aber, dass sie sich etwas entspannte.
"Sei ihr nicht böse, sie kennt es nicht anders, bei solchen Wesen, wie du es bist, so zu reagieren. Normalerweise müsste ich dich nun auch töten.", meinte er mit ruhiger, bestimmt tiefer Stimme.
Stimmt, normalerweise hätte er ihr schon längst den Säbel durch die Kehle gedrückt und ihren Kopf an den Sattel gehängt, ihn als Beweis dafür mitgebracht, dass er seinen Auftrag erledigt habe. Aber die Zeiten haben sich geändert. Für Geralt war es schwer, sich an die neue, mobile Zeit zu gewöhnen, mit dieser Zeit zu leben. Da hatte es die junge Vampirin vielleicht schon etwas einfacher.
"Mein Name ist Geralt. Dürfte ich auch Ihren erfahren?", fragte er sie. Den Versuch, dass er sich der aktuellen Sprachgewohnheit angewöhnte, scheiterte schnell. Er konnte es einfach nicht ablegen. Er stammte nun mal aus einer anderen Zeit.

Sie murmelte etwas vor sich hin. Geralt bemühte sich aber nicht, es zu verstehen. Im Grunde wollte er eigentlich nicht von den Mädchen wissen, es interessierte ihn nur, ob sie auf der Jagd war, ob sie ihren Blutdurst stillen wollte und auch musste.
Ihr Name war Blair. Gut zu wissen. Schließlich bewegte sich das Mädchen vom Ufer her in Richtung Geralt und seines Pferdes, Geralt war auf alles gefasst, sobald ein falsches Handeln ihrerseits unterwegs war. Er stand unter Storm, Adrenalin schoss ihm durch den Körper, seine Augen hatten sich von Schlitzen zu weiten Pupillen entwickelt. Er war bereit. Für alles. Und schließlich stellte sie eine Frage, mit der sie Geralt fast zum Lachen gebracht hatte. Sofort ging der Adrenalinstoß in seinem Körper zurück, seine Augen formten sich wieder zu Katzenaugen. "Ich jage Wesen wie dich.", meinte er. "Beruflich.", fügte er dann schließlich auch noch hinzu. Ihm wurde nun erst klar, dass sie ein unschuldiger Vampir war, die keinerlei Ahnung davon hatte, welche Jäger es auf dieser Welt gab. Und das sie im Moment einem gegenüber stand. Vielleicht war sie sogar so eine Vampirin, die es nicht genoss, einer zu sein. Die die Gabe, oder wie man es auch immer nennen wollte, nicht als Geschenk, sondern als Flucht ansah. Alles war möglich, aber er wusste nicht, wie sie fühlte. Falls sie überhaupt ihn ihrem nicht schlagenden Herzen etwas fühlte.
"Ich denke, ich bin aus den gleichen Grund hier, wie sie, Miss. Ich genieße die morgendliche, reine Luft." Ein Blick zu seiner Stute zeigte, dass sie es noch immer nicht aktzeptiert hatte, dass vor ihr ein Vampir stand und ihr Besitzer ihr nicht den Kopf abschlug. Er klopfte abermals ihren Hals. "Aber sie versteht nicht, warum du immer noch lebst.", meinte er zu ihr, während seine Mundwinkel einen Hauch von Höhe gewannen.
Sie war mutig, das musste Geralt ihr lassen, sich an ein fremdes Tier heranzutrauen, war nicht jedermanns Sache. "Sie heißt Plötze. Ich an deiner Stelle würde aber auf meine Hand aufpassen.", riet er ihr, seine Mundwinkel huschten noch ein bisschen weiter nach oben.

Er betrachtete sie, merkte, dass sie nun etwas in sich gekehrt war, nachdem er ihr gesagt hatte, was seine Freizeitbeschäftigung sei. Dies war die Reaktion, die er häufig sah. Schließlich meinte sie, dass Plötze ihr nicht viel anhaben könne und dass das Vampirleben auch einen Vorteil haben musste. Geralt lachte kurz auf. "Sie kann dir schon einiges anhaben. Aber das Vampirleben hat aus meinen Augen kaum einen Sinn, eine Aufgabe. Da kommt die schnelle Heilung, die du wahrscheinlich hast, auch nicht weit. Du heilst zwar immer wieder, aber Narben, ob sie seelisch oder körperlich sind, ist hierbei egal. Du bist schon tot. Dein Körper zumindest.", meinte er zu ihr. Zum Teil sprach er hier auch aus seinem Herzen, es belastete ihn, ständig allein, mal abgesehen von seiner treuen Begleiterin, zu sein. Niemand blieb länger an seiner Seite, niemand verstand ihn, warum er dies tat. Und er wollte auch nicht verstanden werden, er wollte einfach nur eine Person neben sich haben, auf die er sich verlassen konnte. Und diese Person fand er wahrscheinlich in Plötze. So traurig wie es auch ist.
Nun stellte sie ihm die Frage, auf die er schon gewartet hatte; Warum er sie noch nicht getötet hatte. "Nun ja, ich jage ja nicht erst seit gestern... die letzten Jahrhunderte habe ich bemerkt, dass es auch eine freundliche Art von Blutsaugern gibt, sie wollen kein Vampir sein, kämpfen gegen ihren Trieb, versuchen sogar, auf nicht blutige Nahrung umzusteigen. Und einige sind gar nicht so engstirnig, wie ich einst gedacht hatte.", erklärte er ihr, betrachtete sie, ehe er seine Stute an den Zügeln nahm und sie aus dem Wasser führte. Seine Schwerter, die er um den Rücken gebunden trug, hob er von seinem Rücken herab und hängte sie in die Satteltasche. Den Sattel wiederum setzte er dann wieder auf den Rücken seiner Stute.

"Das weiß ich.", meinte er zu ihr, schenkte ihr ein zierliches Lächeln auf seinen Lippen. Blair beobachtete ihn, während er sich um Plötze kümmerte, bald darauf erhob sie wieder die Stimme. Sie wollte also wissen, wie es als Jäger sei, warum er etwas jagte. Kurz überlegte er. "Nun, als Jäger ist es im Grunde nichts anderes wie als normale Person, wie als normaler Hexer. Nur das deine Sinne halt ständig geschärft sind, um einem Monster auf die Schliche zu kommen. Meist jage ich aus reiner Justiz, manchmal bekomme ich aber auch Aufträge, die mir dann vorgeben, welches Wesen - meist ist es eines, welches sein Unwesen treibt und zahlreiche Lebewesen auf dem Gewissen hat - und ich suche dann dieses Wesen auf und reise dort hin. Wenn ich es vor mir habe geht es meistens schnell.", erklärte er ihr, merkte dabei aber, wie sie kurz schauderte, in sich zusammen zuckte. Geralt wusste aber nicht, was in ihrer Vergangenheit passiert war, warum sie ein Vampir war, wo ihre Familie war. Wer sagte ihm, ob sie sie nicht getötet hatte, weil sie ihre Blutlust nicht kontrollieren konnte?

Geralt schaute zu ihr herüber. Sie konnte es nicht, Wesen das Leben zu nehmen, vielleicht sprach sie von dem schlechten Gewissen, was viele hatten. Doch Geralt schüttelte leicht den Kopf. "Anfangs hat es mir schon etwas ausgemacht, aber mit der Zeit wurde mir klar, dass ich die friedlichen Wesen und auch die Menschen vor genau diesen bösartigen Wesen schütze. Dies macht es dann ungemein leichter.", erklärte er ihr, schenkte ihr dann doch ein kleines Lächeln.
Obwoh sie ein Vampir war, war sie im Grunde nicht so übel wie ihre Artgenossen.