Das neue Mitglied

Die Kantine war ein herrlicher Ort. Nicht nur, weil ich hier meinen übermäßigen Hunger nach saftigen Steaks stillen konnte,
sondern weil hier die Gerüchteküche ständig am Brodeln war. So auch heute.
Ich saß hinten in der Ecke, beugte mich gerade über mein Steak und leckte mir hungrig über die Lippen, als eine Gruppe Werwölfe die Kantine betrat. Mein Instinkt sagte mir sofort, dass sie meiner Art angehörten und so wandte ich ihnen meine kalten grauen Augen zu. Werwölfen hörte ich natürlich immer am aufmerksamsten zu, da diese Gerüchte in irgendeiner Weise auch mich betreffen könnten. Gerade redeten sie aber nur über belanglose Themen, also stürzte ich mich erstmal auf mein Steak und zerriss das köstliche Fleisch mit meinen Zähnen wie ein Tier. Mittlerweile war ich die Blicke gewohnt, die man mir zuwarf, wenn man mich beim Essen sah. Natürlich galt das irgendwo als "unanständig" und "unsittlich" aber seit wann gab ich etwas auf die Meinung anderer? Während ich aß, hörte ich mit halbem Ohr weiterhin meinen Artgenossen zu, bei denen es langsam interessanter wurde. Sie redeten darüber, dass es angeblich einen neuen Schüler auf diesem Internat gab. Ich hob meinen Kopf, leckte mir über die Lippen und sah sie aufmerksam an. Neue Mitglieder nahm ich gerne unter die Lupe, entweder weil ich sie als potenzielle "Opfer" betrachtete oder weil sie mir irgendwie schaden könnten. Während des Gesprächs wurde klar, dass es sich um das neue Mitglied um einen Werwolf handelte und sofort verkrampfte ich mich. Er würde Mitglied unserer Rudels werden - das war unausweichlich. Und wenn er eine potenzielle Gefahr für mich darstellte, dann würde ich nichts ausrichten können. Die Werwölfe auf diesem Internat hielten zusammen und bildeten sowas wie eine eigene Gemeinschaft. Ich konnte unmöglich einen Teil dieser Gemeinschaft auslöschen.
Unsicher wandte ich den Blick wieder ab und kaute frustriert auf dem Fleisch herum, während meine grauen Augen den Raum nach einem neuen Gesicht durchsuchten. Aber ich würde ihn sowieso bemerken, falls er die Kantine betrat. Mein Instinkt würde es mir sofort mitteilen. Trotz meiner Neugier hoffte ich, dass ich ihm nicht begegnen würde - nicht heute. Ich musste mich erstmal mit diesem Gedanken in Ruhe auseinander setzen.